Während InsurTechs in der Versicherungsbranche einen wichtigen Strukturwandel in Gang gesetzt haben, wähnt sich die Industrieversicherung bislang in einer unangreifbaren Sonderrolle: zu spezifisches Know-how erforderlich, zu komplexe Prozesse und zu viele Parteien. Für junge, dynamische Gründern mit wenig Versicherungserfahrung kein Traumszenario, könnte man meinen. Aber auch oder vielleicht sogar gerade in der Industrieversicherung gibt es zahlreiche Angriffspunkte für Startups. InsurTechs könnten hier Kundennutzen schaffen. Neue Versicherungsprodukte oder Tools, die den Vertrieb oder die Vertragsverwaltung effizienter gestalten und dabei helfen, die Komplexität deutlich zu reduzieren sind Beispiele hierfür. Dieser Überzeugung ist Policen Direkt-Geschäftsführer Dr. Nikolai Dördrechter.

Der Einsatz neuer Technologien ermöglicht es auch, Versicherungsrisiken für neue Investorengruppen investierbar zu machen. „Das könnte dazu führen, dass bisher nicht versicherbare Risiken künftig abgesichert werden können“, erklärt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Allerdings fehle es den jungen Unternehmen aktuell noch an Branchenexpertise. Doch eine zweite Welle der InsurTechs werde mit echten Versicherungsexperten auch Chancen in der Industrieversicherung nutzen. Zu diesem Ergebnis kommt auch der globale InsurTech-Radar von Policen Direkt und Oliver Wyman, den Nikolai Dördrechter als Co-Autor mit verfasst hat.

Angriffspunkte für Start-ups in Angebot, Vertrieb und Betrieb von Versicherungen

Als Beispiele nennt er Schutz gegen Cyberrisiken und gegen die Folgen des Klimawandels, wo etablierte Versicherer mangels Daten und ausgeprägter Big Data Kompetenz nicht zwingend einen Vorteil hätten. Selbst im Vertrieb mit zunächst komplex erscheinenden Underwriting-Prozessen, könnten seiner Auffassung nach InsurTechs mit Ausschreibungsplattformen bestimmte Bausteine von Versicherungsprogrammen darstellen.

Hier führt er die Gewerbeversicherung als Beleg an, in der eben dieser Trend bereits zu beobachten sei. Der Markt bewegt sich beim Komplexitätsgrad der angebotenen Produkte kontinuierlich nach oben. Auch im Erfassen des aktuellen Value-at-Risk sieht er einen großen Werthebel. InsurTechs, die auf Datenerfassung spezialisiert sind, könnten hier einen wertvollen Beitrag zur Erfassung der relevanten Risiken leisten und damit im Versicherungsgeschäft Fuß fassen.

In der Blockchain erkennt Dördrechter erhebliches Potenzial: Smart Contracts, die z.B. sämtliche vertragliche Obliegenheiten der Geschäftspartner transparent in Echtzeit erfassen können wären eine echte Disruption. Dördrechter: „So lässt sich Vertrauen aufbauen und langwierige Streitigkeiten mit dem Versicherer vermeiden, die häufig entstehen, wenn die Nichteinhaltung von Verpflichtungen aus der Police im Schadenfall retrospektiv aufgedeckt werden.“

Im Ergebnis könnten InsurTechs auch in der Industrieversicherung dabei helfen, Prozesse effizienter zu machen, was sich auch in günstigeren Preisen zeigen wird. Aktuell bezahle der Kunde nämlich die Ineffizienzen in der Angebots- und Vertragsgestaltung mit. Ein starkes Absinken der Prämien auf breiter Front erscheint jedoch aktuell als unwahrscheinlich, denn mehr Transparenz kann auch zu einer besseren Risikoeinschätzung durch den Versicherer und damit zu höheren Versicherungsprämien führen.

Link: Im Gespräch – Nikolai Dördrechter. Insurtechs sollen Industrieversicherung aufmischen. (Börsen-Zeitung, 10.10.2017)

Policen Direkt GmbH